Ich habe oft so eine Art Weltschmerz

„Ich habe oft so eine Art Weltschmerz. Dann empfinde ich mein Leben und unser aller Leben als ganz schrecklich.

Irgendwie fühle ich in unseren sozialen Kontakten, im Berufs-, Privat- und so manchem Eheleben ständig diesen Hass, Neid, diese Zwietracht, Besserwisserei, Konkurrenz und Herzlosigkeit. Dieses Bevormunden, Machtstreben, Mobbing, Kleinmachen um jeden Preis und anderes mehr, macht mich traurig.

Jeder ist immer nur darauf bedacht, gut dar zu stehen, koste es, was es wolle. Jeder will immer besser sein, als der andere, also mehr besitzen, mehr Geld und Einfluss haben, eine bessere Karriere gemacht haben, teurere Reisen erlebt haben, das bessere, PS-stärkere Auto fahren, das größere und luxuriösere Haus haben usw. Immer geht es um mehr, besser, weiter, größer, machtvoller, wissender, ...

Ich selbst bin ein Mensch, der all diese Bedürfnisse nicht hat. Mobbing und andere Machtstrebungen sind mir so fremd, dass ich es überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie man es vermag, andere Menschen vorzuführen, zu demütigen, zu kritisieren, kleinzumachen, auszustechen.

Wie muss man innerlich beschaffen sein, welche inneren Verletzungen muss man mit sich herumtragen, welche Ohnmachtsgefühle muss man erlebt haben, welche Macht muss über einen selbst ausgeübt worden sein, welche Werte wurde einem durch die Erziehung mitgegeben, …, um so aggressiv, machtstrebend, diktierend, vorschreibend, psychisch oder physisch verletzend sich einem anderen Menschen gegenüber zu verhalten, vorschreibend, rücksichtslos und egoistisch zu sein, sich selbst oder gar einen anderen zu töten und dergleichen mehr?

Warum ist es nicht möglich, dass wir Menschen uns in vollkommener Liebe begegnen? Könnten wir dieses Paradies nicht ertragen? Fehlen uns die dazu notwendigen Denk- und Verhaltensstrukturen? Sind wir emotional tatsächlich so desolat, dass wir ein Leben in reiner Liebe füreinander gar nicht fühlen, geschweige denn leben könnten? Macht uns dafür allein schon der Verstand einen Strick durch die Rechnung? Oh Gott, wie bedürftig sind wir Menschen doch! Wie klein verhalten wir uns gegenüber! 

Von Bekannten höre ich oft Sätze wie zum Beispiel: „Deine Weltverbesserungssicht interessiert uns nicht. Komm´ endlich mal auf den Boden der Tatsachen zurück und höre auf, dir eine Phantasiewelt aufzubauen. Mit der kann nämlich keiner etwas anfangen. Trag´ deinen Heiligenschein woanders, aber nicht bei uns.“

Diese Abwehr macht mich jedes Mal sehr traurig, weil sie deutlich zeigt, wie wenig wir dazu bereit wären, uns selbst deutlich zu verändern, uns selbst schonungslos und kritisch zu hinterfragen, uns selbst unsere Erziehung, unsere Normen und Werte, unser ganzes Sein mit all seinen individuellen und gesellschaftlichen Fassetten zu hinterfragen.

Ich spürte, dass ich mich immer mehr ins Abseits manövrierte. Inzwischen hatte ich noch nicht einmal mehr Menschen, die mir überhaupt zuhören wollten, denn meine Freunde waren eh schon weg.