Meine Prüfungsangst ist für mich fast unerträglich

„In der Schule gehöre ich zum mittleren Leistungsbereich. Im Durchschnitt stehe ich bei 2,8. Für die meisten Fächer muss ich zu Hause nicht lernen. Da liegen die Noten zw. 1 und 3. Aber Mathe (5), Deutsch (4-), Englisch (5) und Chemie (4) liegen mir so gar nicht. Im Unterricht verstehe ich oft nur „Bahnhof“. Und mir geht das viel zu schnell. Ich bin noch mit dem vorherigen Gedanken beschäftigt, da kommt auch schon gleich der nächste Zusammenhang. Fragt der Lehrer, ob jemand von uns Fragen hat, kann ich gar keine Frage formulieren, weil ich nicht verstanden habe, worum es überhaupt geht. Irgendwann schalte ich dann ab, gehe nach Hause und weiß nicht, wie ich die Hausaufgaben machen soll. Also habe ich in diesen Fächern öfter keine Hausaufgaben oder die Lehrer meinen, ich hätte mir nicht genügend Mühe mit meinen Ergebnissen gemacht.

Meine Eltern können mir nicht helfen. Ab und zu, wenn einer meiner Klassenkameraden bei mir ist, sprechen wir mal kurz über den einen und anderen Inhalt. Das hilft mir aber leider auch nicht wirklich. Ich kapiere die Zusammenhänge in Mathe und Chemie schlichtweg nicht. Was in Englisch ganz gut klappt, sind die Vokabeln, aber die Grammatik und die Schriftsprache sind mir ein Graus. Und Deutsch kann man gar nicht lernen. Entweder man kann formulieren oder eben nicht. Texte oder Gedichte zu interpretieren, zu analysieren oder Erörterungen zu schreiben ist schlichtweg schrecklich. Warum muss ich das alles wissen? Meine Eltern können das auch nicht und trotzdem verdienen sie gutes Geld. Mir ist das komplett zu theoretisch. Mit mir und meinem Leben hat das einfach nichts zu tun. Warum kann nicht jeder das lernen, was ihn interessiert? So würde die Schule viel mehr Spaß machen!

Sobald es in der Schule heißt, eine Klassenarbeit oder einen Test schreiben zu müssen, bin ich bereits Tage zuvor übernervös. Meine Gedanken sind nur noch bei dieser Prüfung. Ich komme nicht wirklich zur Ruhe und die Angst zu versagen wächst stetig an. Je näher sie rückt, desto schlechter schlafe ich. Am Prüfungsmorgen bin ich wie gerädert und so angespannt, dass ich nichts essen kann. Meine Eltern dürfen mich schon einen Tag vorher nicht mehr ansprechen, geschweige denn am Prüfungstag selbst. Am besten sollte man mich behandeln wie ein rohes Ei.

Ganz besonders schlimm ist es, wenn vor der eigentlichen Prüfung noch anderer Unterricht erteilt wird. An Konzentration und Aufmerksamkeit  ist jetzt nicht mehr zu denken. Ich sitze da, kann nicht wirklich zuhören und mein Herz klopft mir bereits bis zum Hals. Wo meine Gedanken sind, muss ich wohl nicht mehr sagen. Wenn dann auch noch die Mitschüler davon reden, wie viel oder wie wenig sie gelernt haben, könnte ich ausrasten. Dieses blöde Gequatsche geht mir auf den Wecker.

Sobald der Lehrer dann reinkommt, wir die Tische auseinanderstellen müssen, nur noch mein Füller auf dem Tisch sein darf und das Aufgabenblatt vor mir liegt, kann ich nicht mehr klar denken. Nun lesen die Lehrer erst  noch alle Aufgaben vor, um zu klären, ob alle alles verstanden haben. Oh Gott, meine Nervosität und Angst  steigt dadurch noch mehr und zuhören kann ich eh nicht mehr. Leider passiert es mir öfter, dass ich die Aufgabenstellungen falsch lese und dadurch meine Lösungen falsch sind.

Während der Prüfungssituationen wird es dann noch schlimmer für mich und dies erst recht, wenn ich nicht weiß, was ich schreiben oder wie ich das rechnen soll. Die Hände schwitzen, ich wackel mit den Beinen, raufe mir die Haare, schaue immer wieder zum Lehrer und erschrecke mich jedes Mal, wenn ich auf die Uhr schaue, weil die Zeit so rast. Ich kann dann keinen klaren Gedanken fassen. Wenn gar nichts mehr geht, versuche ich beim Nachbarn abzuschreiben oder von ihm wenigstens eine Idee zu bekommen. Gehen die Lehrer jetzt durch die Sitzreihen, setzt mich das zusätzlich unter Druck. Und wenn sie neben mir stehenbleiben und evtl. sogar auch noch auf mein Heft schauen, geht gar nichts mehr. Können die das nicht mal sein lassen? Warum müssen die durch dieses Verhalten die angespannte Situation noch unerträglicher machen?

Nach der jeweiligen Prüfung bin ich im ersten Moment froh, dass sie vorbei ist. Aber welche Note wird das werden? Auf mein Gefühl kann ich mich überhaupt nicht verlassen. In der anschließenden Pause kann ich gut runterfahren. Aber was ich jetzt so gar nicht ertragen kann, das sind diese lästigen Gespräche darüber, wer was und wie viele Seiten geschrieben hat oder wie er gerechnet hat. Da gehe ich immer weg, denn ich will an die Klassenarbeit oder den Test nicht mehr erinnert werden; zumal oft genug gleich zwei bis drei Tage später schon wieder die nächste Prüfung ansteht. D.h., mein Dauerstress geht weiter und der Angstpegel bleibt hoch.“