Ich bin im falschen Körper geboren worden

"Ich hatte einen enormen Leidensdruck, denn ich litt unter der sogenannten Transidentität. D.h., ich konnte mich mit meinem Geschlecht nicht identifizieren. Dass ich mich nicht als Mädchen, sondern als ein Junge fühlte, spürte ich bereits schon als Kind. Ich hatte ein ganz existenzielles Gefühl der Geschlechtszugehörigkeit. D.h., ich wollte kein Junge werden, sondern ich war schon immer ein Junge. Ich wusste, ein Junge zu sein. Zu diesem musste ich für mich selbst nicht mehr werden. Ich tat alles gerne, was Jungen taten und lehnte es völlig ab, ein Mädchen zu sein. Kleider und Röcke zu tragen, war mir zuwider. Mich wie ein Mädchen zu verhalten, ging nicht, weil mein Geschlecht nicht übereinstimmte mit meiner tatsächlichen Identität als Junge.

Meine Eltern sahen und fühlten schon lange, dass ich ganz anders war, als andere Mädchen. So kam es, als ich 10 Jahre alt war, zu einem Gespräch mit meinen Eltern, dass sie mit mir suchten. Ich war so froh um dieses Gespräch. Sie taten sich anfangs schwer, auszusprechen, was sie meinten. So nahm ich ihnen ihre Scheu ab und sagte: „Mama, Papa, geboren wurde ich zwar als Mädchen, aber ich bin ein Junge. Ich fühle mich nicht nur so, sondern ich bin es!“ Anfangs hatten sie damit Schwierigkeiten, denn was wusste schon ein 10-jähriges Mädchen, wovon es da eigentlich sprach? Ihnen wurde aber sehr schnell klar, dass ich sehr genau wusste, was ich da sagte. Sie informierten sich im Internet und erkundigten sich daraufhin bei verschiedenen Ärzten und Psychologen über Erkennungsmerkmale einer Transidentität. Letztendlich konnten sie nicht anders, als diese bei mir zu akzeptieren. Dies taten sie von ganzem Herzen. Ihnen war es wichtig, dass ich in mir und mit mir glücklich wurde.

Mit 12 bekam ich dann Hormonblocker, um meine Pubertät erst einmal zu stoppen. Ich bekam also z.B. keinen Busen, die monatliche Menstruation hörte auf, der Haarwuchs verlangsamte sich, die Gebärmutter wuchs nicht mehr, usw. Diese Blocker dienten dazu, noch einmal Zeit für mich zu gewinnen, mir wirklich Klarheit über meinen Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung zu zu verschaffen. Dann nahm ich mit 15 Jahren männliche Hormone ein, die meinen Körper zu einem Jungen formten. Ich kam in den Stimmbruch, der Bartwuchs setzte ein, der Körperbau wurde muskulöser und die Gesichtszüge änderten sich. Voraussetzung für die ganzen Hormonbehandlungen waren zwei unabhängige Gutachten von Psychotherapeuten, die bescheinigten, dass ich eine sogenannte Geschlechtsidentifikationsstörung habe, also wirklich im falschen Körper lebte und meine Seele litt.

Meine Eltern hatten, obwohl sie meine Entscheidung akzeptiert hatten und sich hinter mich stellten, für sich selbst immer Zweifel, ob mein Weg, als Junge zu leben, wirklich der richtige ist und fragten sich, ob er notfalls auch wieder rückgängig gemacht werden konnte. Das konnte er nicht, weil ich mir so sicher war, wie noch nie.

Ich ließ mir meine Haare kurz schneiden, zog mir Jungenkleidung an und warf all meine Mädchenkleidung, Schuhe, Ringe, Schultornister, …, weg; einfach alles, was an ein Mädchen erinnerte oder für Mädchen produziert worden war. Ich gab mir auch einen neuen Namen. Der wurde zwar erst später amtlich bestätigt, aber ich wollte schon vorher nie mehr wieder mit meinem Mädchennamen angesprochen werden. Zu Hause war das schnell kein Problem. Hier und da sprachen mich Mama oder Papa noch mit meinem Mädchennamen an. Aber darauf reagierte ich nicht mehr, sodass meine Eltern sich schnell umstellten.

Die Probleme mit meinem Jungennamen bekam ich in der Schule und Freizeit. Hier wurde ich seit meinem Outing stark gemobbt. Meine Eltern hatten unzählige Gespräche und Telefonate mit jenen Menschen, die meinten, mich mobben zu können. Darunter waren Eltern, die mich abschätzig beäugten oder dumme Kommentare von sich gaben, Lehrer, die mir nicht bei Seite standen, die Schulleitung, die zu wenig unternahm und andere an. Meine Eltern stellten sich voll und ganz auf meine Seite, was mir sehr viel Kraft gab, bei mir selbst zu bleiben. Ich wechselte im Fußballverein sogleich die Mannschaft, bekam aber einen eigenen Umkleideraum. Die Jungs staunten, wie gut ich spielen konnte und nahmen mich schnell als Mitglied ihrer Mannschaft auf. Der eine und andere Junge war zwar immer noch irritiert, aber ich war mit meinen inzwischen 13 Jahren „mannsgenug“ ihnen zu erklären, warum ich ein Junge bin.

Ab 15, als ich regelmäßig die männlichen Hormone einnahm, die zur äußeren Veränderung meines Körpers führten, wurde es zunehmend leichter für mich. Die doch noch erkennbare Weiblichkeit ging zwar erst langsam, aber dann doch immer mehr zurück. Ich war glücklich! Mit dem Hohn und Spott von anderen konnte ich inzwischen gut umgehen.

Der Weg bis hin zur tatsächlichen GAOP, also der „geschlechtsangleichenden Operation“ ist lang und hart. Es bedarf vieler Gespräche, Behördengänge, Arztbesuche, Vor- und Nachbehandlungen, u.s.w. Und vor allem braucht man eine hohe Frustrationstoleranz, weil unsere Gesellschaft immer noch nicht wirklich akzeptiert, dass es Menschen gibt, die tatsächlich im falschen Körper geboren wurden. Dieser Eingriff ist endgültig und man muss sich bewusst sein, nicht mehr zeugungsfähig zu sein. Die Erektion erfolgt, aber die Ejakulation verläuft ohne Spermaausstoß.  

Gott sei Dank bin ich in eine Gesellschaft hineingeboren worden, in der die Wissenschaft meine Empfindungen nicht mehr als Krankheit deklariert. Andererseits haben aber dennoch auch heute viele Menschen Schwierigkeiten damit, zu akzeptieren und zu respektieren, dass Menschen im falschen Körper geboren werden. Und genau da lieg noch heute mein Problem. Ein Beispiel: Ich verliebte mich in eine Frau. Sie war göttlich, wusste aber nicht gleich davon, dass ich GAOP hatte. Als sie davon erfuhr, war unsere Beziehung beendet. Sie kam nicht damit klar, in mir einen Mann vor sich stehen zu sehen, der aber zuvor ein Mädchen / eine Frau war. In einer anderen Beziehung stellte sich heraus, dass sie einfach nur mal mit einem Mann schlafen wollte, der früher eine Frau war. Ich kam mir vor, wie ein Versuchskaninchen, wie eine Trophäe.

Zum Glück habe ich aber auch gute Erfahrungen gemacht, sodass mein Freundeskreis heute sehr gemischt ist. Aber unsere Gesellschaft hat bei aller Offenheit, die sie sich gerne auf die Fahne schreibt, noch viel zu lernen. Mit dieser Thematik sollten sich wirklich noch viele Menschen und vor allem auch Politiker befassen, die die Gesetzgebung verabschieden, um in dieser Hinsicht zu wachsen.“